Die Raketenartillerie

Die Raketenartillerie ist ein junges Kind im Reich der Artillerie. Obwohl die alten Chinesen mit der Erfindung des Schwarzpulvers auch das Prinzip der Raketen erkannten, so blieb der Einsatz von Raketen lange Zeit eine mehr und weniger wirksame Spielerei auf den Schlachtfeldern dieser Welt.

 

Kommen wir nun zum eigentlichen Thema. Dazu muss ich erst einmal etwas ausholen. Die deutschen Mehrfachraketenwerfer der Wehrmacht werden auch als Nebelwerfer bezeichnet. Der Name ist eine Tarn- und Verschleierungsmaßnahme gewesen. Zum einen konnte man damit auch chemische Kampfstoffe verschießen, daher wurde die Waffengattung als Nebeltruppe und deren Waffe als Nebelwerfer bezeichnet. Der Name Rakete durfte anfangs auch nicht genannt werden, ebenfalls aus Tarnungsgründen. Ein oft gezogener Vergleich zu einem Ingenieur R. Nebel (den gab es wirklich) ist vollkommen aus der Luft gegriffen und ein Mythos, der nicht totzukriegen ist.

 

Der Versailler Vertrag verbot der deutschen Armee den Einsatz von schwerer Artillerie, Panzern und Luftwaffe. So kamen Waffen, die der Vertrag nicht erwähnte und die als Verstärkung der Abwehrkraft taugen könnten, in das Blickfeld der Reichswehrführung. Darunter fielen die Raketen und Nebel. Nebel als Waffe konnte den Angreifer blenden und eigene Stellungen und militärische Gegenmaßnahmen kurzzeitig verdecken. Man vereinigte Teile der Artillerie und die chemische Kampfführung (die verboten war) zu einer neuen Truppengattung, der Nebeltruppe. Die Aufgaben der Nebeltruppe konnte man folgendermaßen aufteilen:

  1. Vernebeln von Gelände zur Tarnung eigener Vorhaben.
  2. Vernebeln von Gelände zur Blendung des Feindes.
  3. Fähigkeit zum Einsatz von chemischen Kampfmitteln.
  4. Schutz der eigenen Truppen vor feindlichen Chemiewaffen (Entgiftung u.Ä.)

 

Die 3. Aufgabe war natürlich verboten und musste geheim bleiben. Um die Nebeltruppe in die Lage zu versetzen, ihre Aufträge zu erfüllen, brauchte man spezielle Waffen. Zum Einsatz kamen sogenannte Nebelwerfer, das waren große Granatwerfer.

 

In der Reichswehr wurde der 10-cm-Nebelwerfer 35 eingeführt. Er war leicht, billig, leistungsfähig und dauerhaft, seine Nachteile waren die geringe Reichweite und die bescheidene Wirkung im Ziel.

Als Munition standen noch 1941 folgende Granaten zur Verfügung:

  • 10 cm Wurfgranate 35 Spr (Spreng)
  • 10 cm Wurfgranate 35 Nb (Nebel)
  • 10 cm Wurfgranate 35 Nb S (das S steht für eine flüssige Füllung)

Eine schussfertige Wurfgranate wog 7,36 kg.

Der Nebelwerfer wurde im Krieg nur noch als schwerer Granatwerfer aufgebraucht, ein Einsatz in der Nebeltruppe erfolgte im Grunde nicht mehr.



Um die Nachteile zu kompensieren, wurde der 10-cm-Nebelwerfer 40 geschaffen. Sein Rohr war 50 cm länger, wodurch die Schussweite etwas mehr als verdoppelt wurde. Nebenbei verachtfachte sich das Werfergewicht, verneunfachte das den Herstellungspreis und verzehnfachte die Produktionszeit. Brachte aber nur noch 75% der Kadenz und verdreifachte den Verschleiß. Im Grunde war das nur eine Verschlimmbesserung und stand in keinem gesunden Verhältnis zur Leistung der Waffe. Einzig der Kraftzug erlaubte eine schnelle Verlegung. Im Gegensatz zum Nebelwerfer 35 ist der Nebelwerfer 40 ein Hinterlader, das dürfte auch die geringere Schussfolge erklären. Das Gerät dürfte sich nicht bewährt haben und verschwand bald wieder.



Kommen wir nun zu den eigentlichen Raketenwerfern!

 

Die Reichweite der Granaten konnte nur noch durch einen Eigenantrieb erhöht werden. Die Wirkung im Ziel konnte nur durch eine Erhöhung der Kadenz verbessert werden. Folgerichtig ging die Entwicklung zu einer Raketenwaffe mit einer Mehrfachstartvorrichtung. Der 15 cm Nebelwerfer 41 setzte hier die ersten Maßstäbe. Der Werfer war wie ein gezogenes Geschütz aufgebaut. Die Unterlafette, ein leichtes einachsiges Fahrgestell mit 2 Spreizholmen und einer Aufbockvorrichtung, machte den Werfer beweglich und sorgte in der Feuerstellung für eine ausreichende Standfestigkeit. Die Oberlafette nimmt neben den sechs Rohren auch die Seiten- und Höhenrichtmaschine auf.

Technische Daten 15 cm Nebelwerfer 41:

  • Kaliber 150 mm
  • Rohrlänge 1300 mm
  • 1 Rohrbündel (6 Rohre)
  • Gewicht in Fahrstellung ungeladen 590 kg
  • Gewicht in Feuerstellung ungeladen 510 kg
  • Gewicht in Feuerstellung geladen 770 kg
  • Richtbereich 210 Strich nach jeder Seite und -100 Strich bis 800 Strich in der Höhe
  • Schussweite 200 m bis zu 6900 m
  • Kadenz 6 Schuss in 10 Sekunden oder 18 Schuss in 5 Minuten

 

Der Nebelwerfer 41 war von 1941 bis zum Kriegsende im Einsatz und hat sich trotz einiger Nachteile bei der Munition bewährt.



Im Jahre 1944 wurde dann offiziell der 15 cm Panzerwerfer 42 eingeführt. Das war ein gepanzertes Halbkettenfahrzeug auf Basis des Opel Maultier. Bei diesem Werfer bestand die Waffe aus 10 Rohren auf einer drehbaren Panzerkuppel.

Technische Daten 15 cm Panzerwerfer 42:

  • Kaliber 150 mm
  • Rohrlänge 1300 mm
  • 1 Rohrbündel (10 Rohre in 2 Reihen zu je 5 Rohren übereinander)
  • Gewicht des Fahrzeugs 8500 kg
  • Richtbereich 6400 Strich (Seite) und – 140 Strich bis 920 Strich (Höhe)
  • Schussweite 300 m bis zu 6900 m
  • Kadenz 1 Schuss pro Sekunde

 

Auch dieses Waffensystem hat sich bewährt und blieb bis zum bitteren Ende in Produktion. Den Werfer soll aber auch auf einen gepanzerten schweren Wehrmachtsschlepper gegeben haben. Ich kenne da aber nur ein Bild aus dem Internet.



Aus den oben genannten Werfer wurden die 15 cm Wurfgranaten 41 verschossen. Der Aufbau dieser Granaten war bemerkenswert, unterschied er sich von den Anderen Wurfgranaten ganz erheblich. Auf dem Treibsatz, der sogenannten Hülle Do, war die Schraubkappe DOV angebracht. Der Geschosskörper mit der Sprengladung oder dem Nebelsatz war hinter der Hülle DO angeordnet. Auf Grund dieser Anordnung explodierte die Ladung ca 50 cm über den Boden. Die Wirkung war deshalb verheerend im Ziel. Der Treibsatz bestand aus Schwarzpulver und die Granate zog während des Fluges eine starke Rauchwolke hinter sich her, von der Rauchentwicklung beim Abschuss ganz zu schweigen. Es gab aber auch Treibsätze aus rauchschwachen Pulver (Diglykol). Die Treibsatzgase entwichen durch schräg angebrachte Düsen (Dralldüsen), diese Düsen sorgten für den Vortrieb und setzten gleichzeitig die Granate in Drehung. Interessanter Weise vergrößerte sich die relative Streuung in der Länge bei Wurfgranaten 41 Spreng mit zunehmender Schussweite, bei Wurfgranaten 41 Nebel verringerte sie sich dagegen. Die Streuung in der Breite nahm bei beiden Granatentypen immer zu. Bei dem Granaten mit Diglykol gab es keine einheitlichen Steigerungen, die Streuung in der Breite war extrem hoch.



Am 30.Juni 1943 wurde der 21 cm Nebelwerfer 42 offiziell laut Verfügung O.K.H. eingeführt. Durch die Kalibererhöhung konnte mehr Sprengstoff ins Ziel gebracht werden, allerdings musste die Zahl der Abschußrohre von 6 auf 5 reduziert werden. Der Aufbau des Nebelwerfer 42 war bis auf das Rohrbündel identisch, man konnte sogar die Rohrbündel gegen die des Nebelwerfers 41 austauschen. Später im Februar 1944 wurden Einbauschienen eingeführt, damit man auch mit dem Nebelwerfer 42 die 15 cm Raketenmunition verschießen konnte. Dieses war insofern erwünscht, da ausschließlich 21 cm Sprenggranaten gefertig wurden.

 

Technische Daten 21 cm Nebelwerfer 42:

  • Kaliber 210 mm
  • Rohrlänge 1300 mm
  • 1 Rohrbündel (5 Rohre)
  • Gewicht in Fahrstellung ungeladen 605 kg
  • Gewicht in Feuerstellung ungeladen 550 kg
  • Gewicht in Feuerstellung geladen 1100 kg
  • Richtbereich 210 Strich nach jeder Seite und -100 Strich bis 800 Strich in der Höhe
  • Schussweite 500 m bis zu 7850 m
  • Kadenz 5 Schuss in 8 Sekunden oder 2 Salven zu je 5 Schuß in 5 Minuten

Die 21 cm Wurfgranate 42 Spreng wurde aus dem Nebelwerfer 42 verschossen. Der Aufbau dieser Grante unterscheidet sich wesentlich von der 15 cm Wurfgranate. Der Aufbau der Grante gliedert sich folgenderweise:

  1. Balistische Haube
  2. Sprengladung
  3. Hülle Do (Treibsatz)

Die Granate bring ein Gewicht von 110 kg auf die Waage. Weitere Grantentypen wurden für diesen Werfer nicht eingeführt. Die 21 cm Wurfgranate wurde auch als Bewaffnung in Flugzeugen verwendet.

Das Schwere Wurfgerät 40 (s WG 40) bestand aus einem Holzrahmen, auf den vier Wurfkörper zusammen mit den Transportrahmen (Packkisten) gesetzt wurden. Das Richten erfolgte behelfsmäßig nach Schußtafel. Nach dem Abschuss wurden die Packkisten entfernt und es konnten neue Wurfkörper mit ihren Packkisten aufgesetzt werden. Eine Batterie bestand in der Regel aus 10 Gestellen.

Die Herstellung wurde 1942 zugunsten des Schweren Wurfgerät 41 eingestellt.

Archiv: Ulrich Wrede

Technische Daten s WG 40

Geschoßführung

Die Munition wird aus der Packkiste verschossen. Auf jedes Wurfgestell können 4 Packkisten gelegt werden.

Munition

28 cm Wurfkörper Spreng (28 cm WK Spr)

32 cm Wurfkörper Flamm (32 cm WK Fl)

30 cm Wurfkörper Spreng (30 cm WK Spr)

Schussweiten

28 cm WK Spr

750  m – 1925 m

32 cm WK Fl

875 m – 2200 m

30 cm WK Spr

800 m – 4550 m

Richtfeld

Höhe + 180 Strich – 800 Strich

Seitenrichtung wird beim Aufbau genommen

Richtmittel

Behelfsmäßiges Richten nach Schußtafel mit Winkelmesser

Schußfolge

4 Schuß in 6 sec

Bei 1 Gestell

40 Schuß in 6 sec

Bei 10 Gestellen

Zündung

Elektrisch mit Glühzündkette mit Verzögerung 0-2-4-6 sec und Zündmaschine bzw. Glühzündapparat

Gewichte

1 Wurfgestell 40

52 kg

1 Packkiste (Holz)

30 kg

1 28 cm WK Spr mit Packkiste

112 kg

1 32 cm WK Fl mit Packkiste

109 kg

1 30 cm WK Spr mit Packkiste

157 kg

Gesamtgewicht in Feuerstellung

4 x 28 cm WK Spr

500 kg

4 x 32 cm WK Fl

488 kg

4 x 30 cm WK Spr

680 kg

Das Schwere Wurfgerät 41 (s WG 41) bestand aus einem Stahlrahmen, auf den vier Wurfkörper zusammen mit den Transportrahmen (Packkisten) gesetzt wurden. Im Gegensatz zu dem s WG 40 brauchte das s WG 41 nicht mehr im Boden verankert werden. Ein weiterer Vorteil war eine bessere Wetterbeständigkeit. Der Einsatz erfolgte in gleicher Weise wie beim s WG 40.

Archiv: Ulrich Wrede

Technische Daten s WG 41

Geschoßführung

Die Munition wird aus der Packkiste verschossen. Auf jedes Wurfgestell können 4 Packkisten gelegt werden.

Munition

28 cm Wurfkörper Spreng (28 cm WK Spr)

32 cm Wurfkörper Flamm (32 cm WK Fl)

30 cm Wurfkörper Spreng (30 cm WK Spr)

Schussweiten

28 cm WK Spr

750  m – 1925 m

32 cm WK Fl

875 m – 2200 m

30 cm WK Spr

800 m – 4550 m

Richtfeld

Höhe + 180 Strich – 800 Strich

Seitenrichtung wird beim Aufbau genommen

Richtmittel

Behelfsmäßiges Richten nach Schußtafel mit Winkelmesser

Schußfolge

4 Schuß in 6 sec

Bei 1 Gestell

40 Schuß in 6 sec

Bei 10 Gestellen

Zündung

Elektrisch mit Glühzündkette mit Verzögerung 0-2-4-6 sec und Zündmaschine bzw. Glühzündapparat

Gewichte

1 Wurfgestell 41

110 kg

1 Packkiste (Holz)

30 kg

1 Packkiste (Stahl)

20 kg

1 28 cm WK Spr mit Packkiste Holz / Stahl

112 kg / 102 kg

1 32 cm WK Fl mit Packkiste Holz / Stahl

109 kg / 99 kg

1 30 cm WK Spr mit Packkiste Holz / Stahl

157 kg / 147 kg

Gesamtgewicht in Feuerstellung

4 x 28 cm WK Spr Holz / Stahl

558 kg / 518 kg

4 x 32 cm WK Fl Holz / Stahl

546 kg / 506 kg

4 x 30 cm WK Spr Holz / Stahl

738 kg / 698 kg

Da beide Geräte vom Aufbau im Prinzip gleich aufgebaut waren, erfolgte der Transport von Gerät und Munition zur Feuerstellung in gleicher Weise. Anbei einige Beispiele:

Munition

28 cm WK Spr

Der 28 cm WK Spr wurde verschossen aus dem:

  • 28/32 cm Nebelwerfer 41
  • Schweren Wurfrahmen 40
  • Schweren Wurfgerät 40
  • Schweren Wurfgerät 41

Im Aufbau ähnelte er der 21 cm Wurfgranate Spreng, jedoch wählte man hier der besonderen Form wegen die Bezeichnung Wurfkörper.

 

Der Wurfgranatenzünder 50 war ein empfindlicher Aufschlagzünder, der mit oder ohne Verzögerung verwendet werden konnte und im Kopf des Wurfkörpers untergebracht war.

 

Als Treibsatz diente rauchschwaches Diglykol-Pulver; die Turbine war am Ende untergebracht. Die Abfeuerung geschah:

  • Beim 28/32 cm Nebelwerfer 41 über den Steckzünder 40 in Verbindung mit der Sechsfachzündmaschine.
  • Beim schweren Wurfrahmen 40 über den Druckknopfzünder in Verbindung mit der Sechsfachzündmaschine.
  • Bei den schweren Wurfgeräten 40 und 41 über die Glühzündkette mit Verzögerung   0-2-4-6 sec. Mit Zündmaschine oder Glühzündapparat.

 

In dem eigentlichen Körper, genannt Behälter, waren 50 kg Sprengstoff meist TNT (Fp 02) untergebracht.

Archiv: Ulrich Wrede

32 cm WK Fl

Der Wurfkörper 32 cm Flamm wurde verschossen aus dem:

  • 28/32 cm Nebelwerfer 41
  • Schweren Wurfrahmen 40
  • Schweren Wurfgerät 40
  • Schweren Wurfgerät 41

 

Der Wurfgranatenzünder 50 war ein empfindlicher Aufschlagzünder, der mit oder ohne Verzögerung verwendet werden konnte und im Kopf des Wurfkörpers untergebracht war.

 

Als Treibsatz diente rauchschwaches Diglykol-Pulver; die Turbine war am Ende untergebracht. Die Abfeuerung geschah:

  • Beim 28/32 cm Nebelwerfer 41 über den Steckzünder 40 in Verbindung mit der Sechsfachzündmaschine.
  • Beim schweren Wurfrahmen 40 über den Druckknopfzünder in Verbindung mit der Sechsfachzündmaschine.
  • Bei den schweren Wurfgeräten 40 und 41 über die Glühzündkette mit Verzögerung   0-2-4-6 sec. Mit Zündmaschine oder Glühzündapparat.

 

Der Behälter enthielt 50 Liter brennbares Öl (=40 kg Ölgemisch) und eine zusätzliche Sprengstoffladung von 1 kg. Zwecks Erhöhung der Wirkung sollte die 32 cm WK Fl nach den 28 cm WK Spr eingesetzt werden. In umgekehrter Reihenfolge konnten die WK Spr die Brandentstehung wieder ersticken.

Archiv: Ulrich Wrede

30 cm WK Spr

Der 30 cm Wurfkörper wurde verschossen aus dem:

  • 30 cm Nebelwerfer 42
  • 30 cm R-Werfer 56
  • Schweren Wurfgerät 40
  • Schweren Wurfgerät 41
  • Schweren Wurfrahmen 40

Der Infanteriegranatenzünder 23 n.A. war im Kopf untergebracht.

 

Die Turbine war am hinteren Ende untergebracht, der Treibsatz wurde ab Dezember 1943 von Diglykolpulverladung auf Hydrocellulosepulver umgestellt.

 

Im Behälter war eine Sprengstoffladung von 45 kg untergebracht.

Archiv: Ulrich Wrede

Wird fortgesetzt!